Sein Spitzname ist längst iBauer. Mit iMac, iPhone und Twitter-App bewaffnet, zieht Landwirt Heinrich Preis aus dem Liesertal in Kärnten in den Kampf: Allein gegen die Touristenflaute. [erschienen im Juni-WIENER 2011]
Bauer Heinrich (48) ist stark im Liesertal verwurzelt. Der Hof ist seit 1726 in der Familie, die Vorfahren waren Freibauern, und dass der kleine Heinrich jemals einen anderen Beruf ergreifen würde, stand nie zu Debatte. Während die Geschwister in die Stadt gingen, studierten, blieb der Erstgeborene am Hof, wo er für 100 Hektar Wald und gut 50 Hirsche verantwortlich ist. Plus die obligaten Wiesen, Rinder, Schweine und – Touristen.
Denn Altersberg, in Millstättersee-Nähe gelegen, zieht seit Generationen Gäste aus der Stadt an. Bloß in den letzten Jahren ist ein merklicher Rückgang an Buchungen spürbar. „Pro Gemeinde gibt es nur ein paar Unternehmer, die wirklich noch Tourismus betreiben, das andere löst sich alles auf. Die Privatzimmervermieter, die sind weg. Die Stimmung ist schlecht im Dorf“, sagt Heinrich. Vor drei Jahren war er als Kleinunternehmer selbst am Ende seiner Ideen angelangt, als plötzlich ein Freund mit iPhone bei der Tür hereinspazierte. Da machte es Klick, denn Tradition und Fortschritt, das schließt sich nicht aus: Den Beweis wollte der Bauer antreten.
Ein iPhone musste her, ein Twitter Account wurde angelegt – und wenn Heinrich unterwegs ist, dann wird fleißig gezwitschert: Über die Palmkatzerln am Ostermarkt oder die Herstellung der Hirschsalami.
SEO, hausgeschnitzt
Das Gute ist nicht nur die inzwischen nachweisliche Kundenbindung, sondern auch der schleichende SEO-Effekt: Die Tweets speisen Heinrichs Homepage, die dadurch täglich aktualisiert und von Google prompt mit höherem Ranking belohnt wird. „Aber es ist nicht nur Pflichtübung“, sagt Heinrich, „Es ist ein Lebensstil. Es is’ einfach klass! Es ist das, was ich mir schon immer gewünscht habe.“ Fotografieren von unterwegs, ohne Gschisti-Gschasti; nicht extra den Computer anschließen müssen, sondern in der Sekunde abschicken und publizieren. „Ich bin ja kein besessener Foto- oder Computerfreak. Ich bin ein Nutzer – daher will ich, dass das einfach und schnell geht.“ Gedanken werden online per Evernote geordnet, Fotos per YFrog auf Twitter hochgeladen. Der iMac steht in der Wirtsstube. „Die Gäste staunen schon, dass wir hier so modern sind. Das erwarten sie von einem Bauern nicht.“
Tatsächlich schlagen sich die Twitter-Aktivitäten des iBauer direkt in den Buchungen nieder: Fünf, sechs Anfragen kommen pro Tag. Das hat der Wirt schon lang nicht mehr erlebt. Er ist überzeugt: „Die Touristiker verschlafen diese Entwicklung. Aber wenn du dich nicht mit neuen Techniken auseinandersetzt, bist du weg.“
In der Gemeinde beäugt man die Aktivitäten am Preis’schen Hof unterdessen skeptisch. Blogs und Co. – wie etwa das Lieser-Maltatal-Blog www.soisses.at – werden hier eher torpediert: „Weil im Web muss man authentisch sein. Wenn ich ehrlich bin, bekomme ich genau den Gast her, der zu mir passt. Aber die Touristiker sind ja die größten Märchenerzähler. Die haben mit Authentizität ihre Probleme.“ Heinrich nicht. Der twittert, „was auf der Seele brennt“ und der Erfolg gibt ihm Recht.
Webgenossenschaft Liesertal
Auch eine „Webgenossenschaft“ hat er ins Leben gerufen, um den anderen Dorfbewohnern die Angst vor dem Internet zu nehmen. „Ich bin ein Gemeinschaftsmensch und ich hab mich nie dem Neuem verschlossen, daher lag der Gedanke nahe: Den Alten das Internet näher bringen, und gleichzeitig der Jugend sagen: Bitte wanderts nicht ab in die Stadt, sondern bleibts da. Wir tun eh was, wir nehmen an der Neuzeit teil.“ Wichtig, denn die Volksschule im Dorf zählt derzeit gerade mal neun Kinder.
An Ideen mangelt es Bauer Heinrich jedenfalls nicht: Die längste Fußgängerbrücke der Alpen hat er gebaut, der Kärntner Landesregierung hat er die Kanalisation für vier Dörfer abgerungen – und eine Eintunnelung der Autobahn schwebt ihm vor. Aber zuerst wird noch der Schinken für den Wochenmarkt in Spittal fertiggemacht. Twitterfoto inklusive.