“Ja natürlich” lud zur Käse-Verkostung der anderen Art: Ein Abend mit Bio-Ziegen und Twitter-Junkies. [geschrieben für typischich.at]
G’schmackig war’s – und ziemlich schräg. So in etwa könnte man die Joghurt- und Käse-Verkostung beschreiben, die Bio-Hersteller „ja, natürlich!“ gestern rund ums Thema Ziege veranstaltete. Den g’schmackigen Beitrag lieferte die Ziege, den schrägen die Teilnehmer.
„Die Idee eine Twitter-Verkostung zu machen ist entstanden, als wir vor einiger Zeit dringend Tester für unseren Münsterländer-Käse gesucht haben“, erklärt Veranstalterin Ulli Cecerle-Uitz, Bloggerin der Bio-Marke. Ein Aufruf in 140 Zeichen genügte – und schon waren die Käse-Esser rekrutiert. „Das hat so gut funktioniert, dass wir das nun bereits zum dritten Mal veranstalten.“
Bei Reisinger’s, dem wohl kleinsten Beisl am Salzgries (und nebenbei ein absoluter Geheimtipp!), hält Wirt Michael Vesely alles bereit, was das Herz der Wiener Twitteristi erfreut: Käse, Bio-Wein und WLAN. Das schmeckt und bildet gleichermaßen: Ich sitze vis-à-vis von Ernährungsberaterin Margit Fensl, die in ihrer Praxis oft Leute mit Kuhmilchallergie betreut, „die meisten davon vertragen aber Ziegenprodukte völlig problemlos. Außerdem hat Ziegenmilch einen geringeren Fettgehalt als Kuhmilch.“
Stimmt. Dagegen spricht allerdings, dass sie teurer ist und oft einen eigenwilligen, fast derben Nachgeschmack hat, sodass es auch im Lager der eingefleischtesten Käsefans viele Ziegenverweigerer gibt. „Ziegenmilch goaßt halt“, lacht Fensl.
Das Problem gibt’s bei der Bio-Ziegenverkostung nicht. Die Produkte (Frischkäse, Dinkelravioli mit Ziegenkäsefüllung, Ziegenjoghurt, Ziegengauda) überraschen mit einem sehr milden, feinen Geschmack – und Köchin Adelheid Reisinger zeigt, was man daraus machen kann: So wird z.B. aus dem schlichten Ziegenjoghurt eine Panna Cotta mit Birnenconfit. Den Ziegenfrischkäse serviert sie als Crostini mit einem Tupf Zwetschkenchutney oben drauf. „Eigentlich watscheneinfach“, denke ich, „Aber auf die Idee muss man halt kommen…“
Die Zwetschke-Ziegen-Kombi ist für mich die Entdeckung des Abends, bei der Abstimmung zum beliebtesten Crostini landet sie aber nur auf Platz 2, geschlagen von der Frischkäse-Röstspeck-Variante. „Na klar“, flüstert meine Sitznachbarin, „Sind ja auch eindeutig mehr Männer als Frauen anwesend!“ Ich schaue mich um: Stimmt, das Geschlechterverhältnis spiegelt in etwa die österreichische Twitternutzung wider, da stellen die Y-Chromosomträger ebenfalls die Mehrheit. Aber die Mädels holen stetig auf…
Auch bei Reisinger’s wird getwittert was das Zeug hält. Käme jetzt ein nichtsahnender Beobachter zur Tür herein, so böte sich ihm ein sonderbarer Anblick: Lauter Nerds, die zwar an hübsch gedeckten Tischen sitzen, dabei aber manisch in ihre iPhones gucken, um festzustellen, was der eigene Sitznachbar gerade zu sagen hat. Da fühl ich mich gleich wie zuhause und gucke ebenfalls manisch ins iPhone auf meinen Twitterstream. Der nette Italo-Twitterer vom Tisch nebenan hat nämlich gerade einen Ziegen-Zungenbrecher eingetippt, möglichst mit rollendem Zungenspitzen-R zu sprechen: „Sopra la panca la capra campa. sotto la panca la capra crepa“ (= „Auf den Sitzbank überlebt die Ziege. Unter der Sitzbank stirbt die Ziege“)
Fazit: G’schmackig war’s – und ziemlich schräg. Aber das sagte ich ja bereits.