[Erschienen im WIENER Ausgabe 338 / September 2009]
Meins ist ein kleiner Fuchs. Seine Heimat würde man am ehesten in Japan vermuten, irgendwo zwischen Pokemon und Tamagotchi auf jener nach oben offenen Skala japanischen Kommerzkitsches, die Marketingfuzzis gierig sabbern und Hello-Kitty-Girls verzückt „Kawaiiiiiii!“ ausrufen lässt, „Süüüüüß!“ Aber weit gefehlt. Wer ch-hat’s er-ch-funden? Die Schweizer.
Der Fuchs ist ein „Poken“, eine digitale Visitkarte made in Lausanne. Aussehen tut er wie ein Plastikpupperl mit USB-Anschluss. Wofür er gut ist? Zum Süßsein natürlich. Ok, die Hersteller sehen das ein bisschen differenzierter. Die sprechen von einer Revolution in Sachen Networking: Trifft ein Poken auf ein anderes, so werden Social Media Daten ausgetauscht, die der Besitzer vorher auf dem poken-eigenen Webportal definiert hat: also Facebookprofil, Twitteraccount, Xing, LinkedIn, you name it… – Businesscard war gestern; heute wird gepoked. Das hat eindeutig mehr Sex; jedenfalls, wenn man mal bedenkt, was „to poke“ eigentlich bedeutet. Nämlich stochern, stoßen, knuffen und, erraten. Darüber hinaus befriedigt das Herumgepoke den Spieltrieb. Der kleine Fuchs legt sein Patschhanderl auf die Pfote des kleinen Pandabären, die Handflächen leuchten grün auf – et voilà: Datenübertragung erfolgreich. Prognose: Poken ist das erste Gadget, das von den Technikfreaks direkt in die Vorschule überschwappen wird.
Ob das Ganze nun The Next Big Thing oder einfach nur wundervoll geeky ist, lässt sich noch schwer abschätzen. Die Situation erinnert ein bisschen an die Einführung des Faxgerätes anno Neunzehnhundertschießmichtot: Gibt es nämlich noch nicht ausreichend Gegenstücke, kann ich mir – mit Verlaub – mein Fax einführen. Und mein Poken ebenso. Es braucht zunächst eine halbwegs flächendeckende Durchsetzung der Gesellschaft, bevor sich etwaiger Nutzen und Potential herausstellen kann. Bis es soweit ist, liegt die Existenzberechtigung eben nach wie vor im Süßsein. Und darin, eine Handvoll Geeks happy zu machen. Die angestrebte Durchsetzung könnte allerdings schneller passieren als vermutet. In Holland wurde „Poken“ von einem TV-Sender zum „Wort des Jahres“ gekürt. Auch einen Tech Crunch Europe Award hat es soeben gewonnen; ein Preis, der jährlich für technische Innovationen Europäischer Hersteller verliehen wird. Seit Ende Juni ist das erste Poken-Magazin im Umlauf; unter http://hamburgmeetspoken.blogspot.com/ kann man es als pdf-File herunterladen. Inzwischen werden eigene Poken-Parties organisiert. Jawohl, auch bei uns. Keine Ahnung, was dort abläuft. Aber der Gedanke eines Rudelpokens ist einfach herrlich promiskuös. Schert es mich, dass sich die geteilten Interessen der Teilnehmer auf 3,5cm Plastik beschränken? Nein. Ich darf sie dort alle poken! Darunter garantiert irgendein Typ, der Viral Marketing als Spam-Freibrief interpretiert. Und mindestens ein Freak mit sozialer Distanzstörung…
Zugegeben, es gibt bessere Ideen. Von einem Businesspoken ist zum Beispiel die Rede: dezenteres Design und mit Firmenlogo gebrandet. Denn Herr CEO will sich nicht unbedingt mit dem Pink Geisha Poken erwischen lassen. Die Firma Poken S.A. stellt für Events und Konferenzen auch „Poken Domes“ auf. Die sehen aus wie die Desginerlampe aus der Chillout-Lounge von Bernd dem Brot (jeden Nacht auf KI.KA) und sammeln, zum Soundtrack sich erbrechender Datenschutz-Apokalyptiker, Poken-Daten von allen Gästen.
Ach herrje, ich weiß es ja auch nicht, ob man’s braucht! Aber es ist süß. Es ist schräg. Es ist geeky. Und es ist billig (je nach Anbieter ca. Euro 15.-). Wenn Sie’s wissen wollen, probieren Sie’s einfach selber aus. Sie tragen damit wenigstens zur gesellschaftlichen Poken-Durchsetzung bei.