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Mister Sandman

„Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr ist.“ (Arthur Schopenhauer, 1788-1860)

Wann ist das eigentlich passiert, dass Augenringe zum Hipster-Accessoire wurden? Früher waren die mal Grund zur Sorge. Die selige Hermi-Tant’ hätte die Stirn gerunzelt und gemahnt: “Husch, husch ins Körbchen, Madame!” Aber wie das halt so ist mit den Bedeutungszuschreibungen, dem Wandel und dem ganzen Rest: Schleichend werden aus Alarmsignalen Verdienstorden. Mensuren der “Kaputto ergo sum”-Burschenschaft. So ein Schas aber auch!
Schwanzlängen, Sportwagen und Wer-macht-die-vielfältigeren-Weihnachtskekse haben als Selbstbestätigung-Tools ausgedient. Jetzt ist es: “Ich habe nur vier Stunden geschlafen – und du?” – “Pah, drei Stunden!”

Hallo? Geht’s noch? Eigenraubbau als Wettbewerb? So viele Mittelfinger hab ich gar nicht, wie ich in solchen Momenten gerne zeigen würde.

Unter uns: Wenn mir Mister Supertopchecker bei einem Date sagt, er hätte nur drei Stunden geschlafen (Übersetzung: “Ich bin wichtig”), dann denk ich mir: Tja, hättest noch drei weitere drauf gelegt, wäre dieses Gespräch hier sicher interessanter…

Klar weiß ich, was von mir erwartet wird, wenn ich höre: “Die L. hat bereits die dritte Nacht durchgearbeitet.” Ich soll dann denken: “Wow, welche Einsatzbereitschaft!” Tu ich aber nicht. Ich denke: “Wow, was für ein Kack-System, das Mitarbeiter dazu zwingt!” Sagen? Nein, sagen tu ich das nicht. Die L. kann ja nix dafür… Aber schreiben tu ich’s jetzt endlich einmal. Und, by the way: Husch, husch ins Körbchen, Leserin!

[Herzfrequenz-Kolumne für die WIENERIN 279/ Dezember 2012]

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