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Von dem Moment ihrer Geburt wünscht man sich, zu wissen, was in ihren Köpfen vorgeht. Die Zahl der Forscher, die zu ergründen sucht, was Babys träumen, ist Legion. Die Zahl der Eltern, die zu ergründen sucht, was bitte an den Wonder Pets (Klicken auf eigene Gefahr) oder Justin Bieber toll sein soll, ebenso.

Und manchmal, ja, manchmal bekommt man Hinweise. Deutliche Einblicke in die Denkstruktur des Nachwuchses. Der Stoff, aus dem die Träume jedes Entwicklungspsychologen sind. Aber denken Sie bloß nicht, dass es dadurch klarer wird.

Ich hatte meinen Sneakpeek ins Kinderhirn diesen Sommer. Da hat #Kind1 nach erfolgreich absolvierter Taferlklasse ihr Deutsch-Heft nach Hause gebracht. Nicht jenes, wo sie vorgegebene Wörter übt, sondern das, wo sie selber darf.
Hier ungeschönt wiedergegeben, the uncut version. Anmerkungen kursiv.

Beginnt harmlos:

15. März

Tante Doris liebt ihren Mann. [Eine Doris gibt’s in unserer Familie nicht, und wenn, wäre sie nicht verheiratet, aber so kleinlich wollen wir nicht sein, Fantasie ist was Schönes.]
Die Kuh Berta kaut den Klee.
Die Ente trinkt Teichwasser.
Die Amsel baut ihr Nest.
Mein Papa kocht Nudelsuppe.

16. März

Tante Doris baut Teichwasser. [Aha?]
Die Erde baut Teichwasser. [das find ich – kurzer Mutterstolz-Einschub – ungemein genial]
Die Kuh Berta umkreist ihr Nest.
Die Ente kocht ihr Nest.
Die Amsel baut den Klee.
Mein Papa kaut den Klee. [„bravo!“ hat die Lehrerin darunter geschrieben. Weiß nicht, ob sich das auf die Schreibkünste von #Kind1 bezieht oder die Kochkünste der Ente…]

17. März

Der Frosch schwimmt im See.
Der Hund bellt hinter dem Haus.
Meine Mutter duscht im Bad.
Tante Frieda [was wurde aus Doris?] wandert im Wald.
Das Kind meldet sich in der Schule.
Der Maulwurf lebt in der Erde.
[Sie sehen: an diesem Tag wiegt #Kind1 den Leser/die Leserin in Sicherheit. Dient aber nur dazu, die Prämissen für den Folgetag zu etablieren]

18. März

Der Frosch wandert in der Schule.
Der Hund wandert in der Erde.
Meine Mutter bellt im Wald. [Ich schwöre, ich habe noch nie. Zumindest nicht mehr, seit die Kinder auf der Welt sind…]
Tante Frieda bellt in der Schule. [Sie wird noch das selbe Ende nehmen wie Doris…]
Der Maulwurf schwimmt im See.

7. April [Minimalistische Phase]

Der Hund bellt.
Die Katze schnurrt.
Die Schwester schläft.
Der Hase hoppelt.

8. April [Phase der surrealen Familienidentität]

Mein Vater ist Koch. [äh… nein…]
Mein Bruder ist Student. [Bruder hat sie gar nicht]

15. Juni [Phase der konkreten Poesie]

Kasperl spricht.
Kinder spritzen.
Wespen stechen.
Spatzen spielen.

[undatiert / Hexenphase]

Die Hexe hext den Opa in einen Autobus.
Die Hexe hext ein Schwein.
Die Hexe hext einen Elefanten.
Die Hexe explodiert.

[undatiert / Phase der Geschlechterdifferenzierung]

Ein Maler braucht viel Wasser.
Eine Malerin braucht viel Fantasie.


Vielleicht wird sie ja Malerin…

[Text für Zeit im Blog 21]

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