„Eine schmutzige Fantasie ist ein ewiges Fest.“ (William Shakespeare, 1564-1616)
Die gute Nachricht: Ich passe jetzt wieder in mein Gewand. Die schlechte Nachricht: Jedes mal, wenn der Zeiger der Waage um ein Stricherl runtergerückt ist, ist der Zeiger meiner internen Libido-Skala ein Stricherl raufgerückt. Per se mag das keine so schlechte Nachricht sein. Bloß: Wollen heisst ja nicht unbedingt tun.
Während also das innere Partygirl alles anspringen möchte, was männlich und nicht bei drei auf den Bäumen ist, sitzt die innere Zimtzicke hinter’m Jurypult und macht einen auf Hannes Nedbal. Denn ich bin ja keine 18 mehr. Ich schlaf nicht mehr in versifften Studenten-WGs, wähle mich nicht per 56K Modem ins Internet und habe auch sonst meine Ansprüche an Komfort ein wenig hinaufgeschraubt. Da kann sich das Partygirl winden und fluchen, die Zimtzicke hat ein Wörtchen mitzureden!
Also: Was im Kopf haben soll er. Unkompliziert soll er sein (einer von uns muss ja!). Flirten soll er können. Lachkrämpfe kriegen (möglichst auch im Bett, aber immer nur mit mir, nie über mich). Und bissl was gleichschauen soll er auch. Also gut gebaut an den entscheidenden Stellen. Und mit “entscheidend” meine ich: Unterarme! Gibt’s etwas erotischeres als Männer, die widerspenstige Gurkengläser aufschrauben? Während ihr Hemdsärmel raufrutscht, sieht man, was sich dabei in ihrem Unterarm abspielt… Hui, Mädels, DAS ist Pornographie. Ich glaub, ich brauch einen Melissentee…
Wenn ich zurück komme, hätt ich dann gern ein paar Empfehlungen in der Mailbox. Damit die Zimtzicke und das Partygirl Frieden schließen können.
[Herzfrequenz-Kolumne für die WIENERIN 278/ November 2012]
Du hast eine Vorliebe für schiache Männer“, analysiert L., „lauter Harvey Keitels in deiner Vergangenheit, keine Clooneys. Bis auf den letzten. Der war ein Schönling. Total untypisch für dich. Dafür kommst du seit über einem Jahr nicht los von ihm. Merke: Schönheit ist ungesund!“ – „Gewagte These“, sage ich, „aber nicht Koinzidenz mit Kausalität verwechseln, Frau Dozentin!“ Und überhaupt: Für mich waren auch die Harvey Keitels immer wunderschön. Denn nicht die Schönheit entscheidet darüber, wen wir lieben, sondern die Liebe, wen wir schön fi nden (hab ich jedenfalls mal so in der WIENERIN gelesen …). „Also woran liegt’s?“, fragt L. – „Ach“, sage ich, „er hat halt die richtigen Knöpfe gedrückt.“ Sie nickt wissend. Wir schweigen beide. Gegen Knopferldrucker ist frau machtlos.
Casanova, Urvater aller Knopferldrucker, sagte ja bekanntlich den Schönen, sie wären klug, und den Klugen, sie wären schön. Er hat’s erfunden. Mein Ex hat’s perfektioniert. Er fand mich immer dann schön, wenn ich gerade auf Kriegsfuß mit meinem Übergewicht stand, und klug, wenn ich mir vorkam wie der ärgste Trottel. Und war ich schmähstad, hat er meine Schlagfertigkeit gepriesen…
„Ach“, sage ich traurig, „ich bin 40. Ich habe Schwangerschaftsstreifen wie ein Zebra, Augenringe wie ein Panda und Allüren wie eine Bienenkönigin. Ich werde nie wieder einen fi nden, der mich so vorbehaltlos toll fi ndet!“ – „Doch“, sagt L., „mich. Und irgendwo wartet sicher noch ein netter Zoologe im Keitel-Look auf dich.“
Nicole Kolisch
Nicole Kolisch ist Journalistin, Bloggerin und WIENERIN-Kolumnistin.
In ihrer Kolumne “Herzfrequenz” schreibt sie über die ganz alltäglichen Irrungen und Wirrungen der Liebe. Und über das, was wir in schwachen Momenten dafür halten.