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Countdown-Woche 29: Nicole hat die Halbmarathondistanz geknackt. Vermutlich. Denn so ganz genau weiß das leider keiner. Schon gar nicht der Veranstalter. [geschrieben für typischich.at]

“Komm doch mit zum Halbmarathon”, sagt mein Bekannter. “Da hättest Du gleich ein Etappenziel.” Ja, warum nicht? Der LCC, sprich: “Lauf- und Conditions Club Wien”, organisiert den Lauf im Prater. Da hab ich’s nicht weit hin. “Und die sind alle furchtbar nett dort”.

Bei der Anmeldung werde ich das erste Mal stutzig: Start 10 Uhr – Zielschluß 12.30. Ich soll in zweieinhalb Stunden die Halbmarathondistanz schaffen? Illusorisch. Aber nachfragen schadet ja nicht, denk ich und rufe sicherheitshalber im LCC-Büro an. “Kein Problem”, heißt es da, “Wenn Sie länger brauchen, brauchen Sie halt länger. Es wird niemand auf der Strecke alleine gelassen. Als Schlusslicht fährt ein Radfahrer, der gestrandete Läufer aufliest.” Das macht mir Mut, die Dame am Telefon sprühte ja geradezu vor läuferischer Solidarität – schwupps, schon bin ich angemeldet.

Am Wettkampftag hole ich die Startnummer ab und sage noch einmal zu den Organisatoren: “Aber in 2 Stunden 30 schaff ich das nicht. Wird dann eh noch jemand da sein, wenn ich später komme?” – “Sicher”, lautet die Antwort, “Das sehen wir nicht so eng.”

Es gilt drei sorgfältig vermessene Runden zu laufen. Jeweils 7km lang – am Ende hat man somit die 21-und-bissl geknackt. Psychologisch suboptimal, weil spätestens nach der zweiten, wird das ziemlich fad. Aber wir sind schließlich nicht für’s Sightseeing hier! Der Startschuss fällt, ich laufe los – selbst für meine Verhältnisse langsam – aber ich will Kräfte sparen, um auch ganz sicher ins Ziel zu kommen.

Ich erspar Ihnen die Details. Lauftechnisch geht’s mir gut. Ab Kilometer 7 setzt der Flow ein und ich trabe in schöner Gleichmäßigkeit vor mich hin. Die anderen haben mich längst abgehängt, egal. Mein Motto: Durchkommen ist alles, Tempo ist nichts. Letzten Endes ist mensch beim Langstreckenlauf ja immer ein bißchen einsam

Dann kommt Kilometer 14, ich passiere den Anfangs/End-Punkt der Runden und ein Mann in Leuchtjacke notiert meine Zieleinlaufszeit. “Schön wär’s!”, sag ich, “aber ich hab noch eine Runde. Das war bitte nur meine Zwischenzeit!” – “Was? Na dann beeilen Sie sich aber, wir packen bald zusammen.”

Runde 3 laufe ich als ob ich der letzte Mensch auf Erden wäre. Completely and utterly alone. Hab ja damit gerechnet, am Ende allein auf der Strecke zu sein – aber jetzt ist nicht mal mehr die Strecke da. Keine Kilometermarken (alles weggeräumt), keine orange gestreiften Hütchen zur Weg- und Wendepunktmarkierung. Wo der letzte Wendepunkt sein müßte, errechne ich Dank meines iPods. Ob das nun genau 21,1km waren, weiß der Kuckuck. Ist auch egal. Der iPod sagt “ja” – und als ich ins Ziel komme, ist das Ziel ohnedies schon weg. Der Teppich zur Zeitnehmung liegt noch da, ich spurte drüber – “Ach der ist schon ausgeschaltet”, sagt ein netter dicker Mann mit schlechten Zähnen. Er lässt Gnade vor Recht ergehen (danke!) und ruft bei Pentek an: Meine Zeit wird geschätzt und noch in die Ergebnisliste eingetragen. Glück gehabt. Zwei Minuten später wäre auch er nicht mehr da gewesen. Der Radfahrer, der die Gestrandeten aufliest? In your dreams!

Liebe Veranstalter: Wer 21,1km läuft ist nicht zwingend in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand. Aber die Chancen dafür sind doch recht gut. Oder warum steht sonst zur Sicherheit ein Wagen des Samariterbundes hinter jeder Ziellinie? Also, normaler Weise… wenn er nicht schon – erraten! – nach Hause gefahren ist…

Einen Halbmarathon zu schaffen, ist ein Grund für Stolz und Freude. Aber man wird seelisch durchlässig und ungeschützt  wie ein Kind – und Kinder werden nun mal nicht gerne mitten auf der Hauptallee ausgesetzt. Hab mich bei der Busstation auf den Boden gehockt und geweint…

Trost gab’s dann zuhause von Liverpool, äh, von Rodgers & Hammerstein, natürlich: Walk on, walk on with hope in your heart – and you’ll never walk alone.

P.S. Fall es wer wissen will: Die Zeit war 2:45. Vermutlich.

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