Sind Facebook-Freunde “richtige” Freunde? Die Frage ist so alt und abgelutscht wie der Playmobil-Tankwart. Ein Tag mit #Kind1 beantwortet sie. Oder eben nicht. [geschrieben für ZIB21]
“Wie hat ihr denn der Tauchkurs gefallen?” frage ich den Kindsvater. “Ich weiß nicht”, sagt er, “Sie hatte dort eine Freundin.” Ich nicke verstehend.
Mit #Kind1 und den Freundinnen ist das nämlich so eine G’schicht. Sind sie da, ist alles in Butter. Dafür verblasst jeglicher Kontext in der Sekunde zur Nebensächlichkeit. (Tauchkurs? Was für ein Tauchkurs?) Sind sie nicht da, verfinstert sich das Gemüt von #Kind1 derart, dass selbst Blumenmädchen Grace daneben wie ein Werbegesicht für Lachgummis erscheint.
Dabei ist die Definition von “Freundin” sehr weit gefasst. Der gemeinsame Nenner ist: weiblich und zumindest gleichaltrig, besser noch älter (weil cool). Alles was jünger ist, fällt unter “Baby Freundin”: nettes Accessoire, aber nicht so richtig brauchbar (vgl. “Am Campingplatz hatte ich nur eine Baby-Freundin.”)
Eine Freundin ist jede, mit der #Kind1 am Spielplatz einen Satz gewechselt hat. Da gibt es keine Abstufungen, also wie bei Facebook vor dem letzten Update. Auch unangesprochene Spielplatzgeherinnen können in die Kategorie fallen, werden von #Kind1 quasi nach dem System google+ dem (Freundes-)Kreis zugeordnet, ob sie wollen oder nicht: “Schau, da ist meine Freundin. Sie weiß es aber noch nicht.”
Das ist auch nötig, dieses vorab “Einkreisen”, denn #Kind1 ist ultra-genant. Sie krümmt sich vor Verlegenheit, wenn sie jemanden ansprechen muss. Selbst wenn der Stanitzel-Preis cent-genau in ihrer Hand liegt, traut sie sich nicht ihr Schokoeis zu bestellen. Dazu müsste man ja mit einer fremden Person reden. Geht nicht. Für #Kind1 kommt der Wumba Tumba Schokoladeneisverkäufer tatsächlich von ‘nem andern Stern… Egal, ich schweife ab.
Jedenfalls: Wenn die Ansprechhürde genommen ist, wird die Zufallsbekanntschaft zur BFF des Tages. Drunter geht nix. Im Sommer hat eine dieser frischgebackenen BFFs #Kind1 beim Stolpern aufgefangen. Die wurde fortan inniglich als “sie hat mir das Leben gerettet” verehrt.
Für den elterlichen Zaungast kippt dieser Freundschaftsbegriff oft ins Surreale. Tja. Wir haben uns dran gewöhnt. Aus den imaginären “Kikis” sind real-life-”Freundschaften” geworden, die oft nicht weniger imaginär anmuten, deren Lust- und Leidpotential aber ungemein real empfunden wird. Da fließen Tränen, wenn die BFF des Tages mal ein falsches Wort sagt.
Eh klar: Es sind Allianzen für den Augenblick, aber der Augenblick ist der einzig relevante (weil einzig wahrnehmbare) Zeithorizont des Kindes.
Warum ich das schreibe? Weil ich gestern wieder in so eine “Aber Facebook-Freunde sind doch keine Freunde”-Debatte gezogen wurde, diese in regelmäßigen Abständen exhumierte Frage, ob nicht nur das Hand und Fuß hat, das auch physisch über die genannten Körperteile verfügt… Sie dachten, die wäre aufgrund mangelnder Relevanz ausgestorben? Schneckn. Hab’s dann aber einfach abgekürzt und den freundlichen Kulturpessimisten von Nebenan eingeladen, einmal mit auf den Spielplatz zu kommen. Der wird Augen machen…
Und das war’s auch schon. Ich erspar Ihnen jetzt einen salbungsvollen Schlusssatz, darüber wie Social Media an unser aller inneres Kind appelliert. Oder sonstigen Schmafu. Aber wenn Sie einen finden, der Sinn stiftet, bitte unter “It’s complicated” an die Redaktion…