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Tarnumhang

[Kolumne für den WIENER 357. Wenn morgen die Abstimmung im Nationalrat anders verläuft, schreib ich’s um oder ersetze es. Aber ich glaub nicht dran…]

Wer Politik hinter Techno-Gerede verbirgt, hat in Österreich ein leichtes Spiel: Guten Tag Vorratsdaten; Adieu Menschenrechtskonvention!

Wozu noch darüber schreiben? Alle Messen sind gesungen. Der österreichische Nationalrat hat das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen – zumindest sieht es zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen verdammt danach aus. Wenn ich irre: Heureka. Aber Osterwunder gibt’s bloß in der Bibel, selten im Parlament.

Was geholfen hätte? Protest. Eine deutliche Unmutsäußerung von Bürgern, die beschließen, sich bei der nächsten Wahl daran zu erinnern, wer ihre Grund- und Freiheitsrechte gekappt hat. Denn es klappt ja nur über die schwarze Pädagogik des Stimmentzugs, also vergessen Sie das mit dem „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ und der „kooperativen Wahrheitssuche“ schnell wieder. Ha! Da sitzen keine Diskurstheoretiker im Haus am Ring. Da sitzen Österreicher.

Österreicher, die ein bissl konfliktscheu sind, die lieber in vorauseilendem Gehorsam vor einer strittigen EU-Richtlinie buckeln, als da mal aufzustampfen und einen gestreckten Mittelfinger gen Brüssel zu richten – wie es, wohlgenmerkt, viele andere Staaten inzwischen getan haben. Mit denen könnte man Allianzen suchen. Aber warum sollte man? Hinter dem „Wir können ja nix dafür, aber wir müssen“ lassen sich die eigenen Begehrlichkeiten so trefflich verstecken. Mei, hätte der Metternich gerne eine EU für sein Image gehabt!

Protest gab’s eh. Von der Web-Community. „Netzaktivisten“ schreibt der Standard. Mit Verlaub, ich glaub, ich kenn die alle persönlich – womit das Thema Breitenwirksamkeit auch abgehakt wäre. Es kommt totalitären Novellen halt zugute, wenn sie sich im Tech-Ghetto verstecken können. Der Nimbus der Technik ist ein Hogwarts’scher Tarnumhang für unliebsame Beschlüsse. Dort traut sich niemand hinschauen, weil (O-Ton) „da versteh ich nix davon.“

Ein Spitzel, der hinterherschleicht, der jede Bewegung und jedes Gespräch notiert, fällt auf. Das würden wir uns nicht gefallen lassen. Aber das bissl IMSI, IMEI und Cell-ID?

„Man hatte sich nicht gerade viel Mühe gemacht die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.“ vermerkt Arthur Dent in Per Anhalter durch die Galaxis, „Ich meine, dass man’s jemandem gesagt hätte oder so.“
„Aber die Pläne lagen aus …“
„Lagen aus? Ich musste schließlich erst in den Keller  runter…“
„Da werden sie immer ausgehängt.“
„Mit einer Taschenlampe.“
„Tja, das Licht war wohl kaputt.“
„Die Treppe auch.“
„Aber die Bekanntmachung haben Sie doch gefunden, oder?“
„Jaja“, sagt Arthur, „ja, das habe ich. Ganz zuunterst in einem verschlossenen Aktenschrank in einem unbenutzten Klo, an dessen Tür stand: Vorsicht! Bissiger Leopard!“

Tja. Die VDS brauchte keine Leoparden-Warnung, um ungehindert den Nationalrat passieren zu können. Sie wurde uns als „Technik-Thema“ verkauft. Wirksamer Fernhalten geht nicht.

Wozu also noch darüber schreiben? Damit der Tarnumhang langsam löchrig wird.

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