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Konstantingate

Eine Medienposse und ihre Folgen: Wie ein deutscher Edel-Blogger und ein prominenter Verlegersohn die Gesetze der Ethik im Web auf den Kopf stellen. [Erschienen im WIENER 352 / Dezember 2010]

Die handelnden Personen. Hier: Stefan Niggemeier, preisgekrönte Edelfeder unter den deutschen Bloggern. Stachel im Fleisch der Bildzeitung. Kämpfer für das Gute und Wahre, dabei aber der „nette Intellektuelle von Nebenan“ geblieben. Den mögen wir. Dort: Konstantin Neven DuMont, Verlegersöhnchen, Kronprinz und Vorstand des Imperiums DuMont Schauberg, megamäßiger Big Player in der deutschen Medienbranche. Ferner: Mutmaßlich pathologischer Web-Troll (Holla! Unschuldsvermutung!), zumindest penetrante Quasselstrippe. Letzteres erwiesen. Kurz: Mit 40 könnte man schon besseren Stil haben. Den mögen wir nicht.

Was bisher geschah: Um Weihnachten herum war dem Konstantin fad und er kommentierte ein bisschen, na gut, ein bisschen viel in Niggemeiers Blog. So sehr, dass sich andere LeserInnen belästigt fühlten. So sehr, dass Niggemeier ihm eine eigene „Sandkiste“ einrichtete, auf der sich der Herr Turbo-Kommunikator ungestört austoben konnte. So sehr, dass es in Papas Firma nicht gut ankam. Image-Gau. Geschäftsschädigung. Sie wissen schon. Der interne Rückpfiff ist nicht belegt, aber die Sandkiste blieb ab diesem Zeitpunkt DuMont frei. Oder etwa nicht? Ein Blick auf die IP-Adressen von Kommentatoren ist oft aufschlussreich. Niggemeier blickte und was er sah, wunderte ihn selber: „Ist es denkbar, dass einer der wichtigsten Medienmanager Deutschlands über Monate in diesem Blog unter einer Vielzahl wechselnder Pseudonyme eine dreistellige Zahl von teils irren Kommentaren abgibt, in denen er auf eigene Beiträge verweist, mich und seine Konkurrenz beschimpft, wüste Verschwörungstheorien strickt und seine verschiedenen Identitäten miteinander diskutieren lässt?“ Und all das unter ca. 100 Decknamen? Bis zu 33 Kommentare pro Tag? Besaß denn der arme nicht genug Medien, derer er sich bedienen konnte, um sich zu äußern? Musste er sich dafür als „Glotze“, als „Ordensschwester“, als „Himmlischer Friede“ ausgeben? Oder als seine eigenen Kinder („Oje, der Papi kommt!“)? Ich mein, wie gaga is’n das?

Nun offensichtlich musste er, denn es ging nicht nur um Privatvergnügen. Es ging ums Diskreditieren der Mitbewerber. Systematische Störung. Ist halt schön, wenn der Herausgeber der „Frankfurter Rundschau“ die „Frankfurter Allgemeine“ anpöbeln kann und niemand sieht, dass er’s war. Noch schöner, wenn dann eine vermeintliche Hundertschaft ihm beipflichtet. Me, myself and I. Niggemeier zog die Notbremse und wehrte sich nach Blogger-Art: Er bloggte darüber. DuMont stritt ab. Er war’s nicht, sagt er, da hätte sich wer an seinem Computer zu schaffen gemacht. Warum aber lässt ein Branchen-Titan seinen Computer ungeschützt? Eben. Dass er inzwischen seinen Rücktritt angeboten hat, scheint bei jeder Version berechtigt. Wir freuen uns also alle, dass der Troll besiegt ist. Hach, wenn’s doch so leicht wäre, die Sache mit der Web-Ethik! Denn seit wann hat ein Troll kein Recht auf Datenschutz? Dürfen Blogger ihre Kommentatoren outen?

„Das Recht auf Anonymität gilt unabhängig davon, ob der vermutete Verfasser prominent oder unbekannt ist“, vermerkt Spiegelfechter, „Auch unabhängig davon, ob die Kommentare nun vom Blogbetreiber als anspruchsvoll oder als »teils irr« eingestuft werden.“ Hier also nimmt unsere Posse die überraschende Wendung: Niggemeier, so die Befürchtung, könnte mit seinem „Zwangs-Outing“ ein Exempel statuiert haben, das schlechte Schule machen wird. Wenn nämlich aus vermeintlicher Notwehr Selbstjustiz wird. Wenn Persönlichkeitsschutz dem vermuteten „öffentlichen Interesse“ zum Opfer fällt. Wir kennen das zu Genüge aus Printmedien. In der Blogosphäre kannten wir’s bislang nicht. Ziehen wir uns warm an.

[Dieser Text entspricht der Version im Print-WIENER. Die Fortsetzung der DuMont-Saga kann man hier und hier nachlesen]

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