Das Döpfner-Imperium schlägt zurück. Neues Motto: Wenn die Schmarotzer nicht zahlen, stellen wir das freie Web ab! [Kolumne für den im WIENER 351 / November 2010]
Die Freiheit der Presse ist bedroht. Und nicht etwa in Eritrea oder Gambia, wo das Inhaftieren von Journalisten so gängig ist wie die alljährliche Erdnussernte. Nicht etwa, weil heuer bereits 26 Reporter in Ausübung ihres Dienstes ermordet wurden. I wo! Wenn man Mathias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags, zuhört, wird man rasch eines besseren belehrt: Das Internet ist schuld. Es frisst die Pressefreiheit auf: „Von innen.“
Döpfner bemüht große Worte. Von „digitalem Maoismus“ ist da die Rede, von üblen „Web-Kommunisten“, die es für eine gute Sache halten, Wissen und Information kostenlos für jedermann zur Verfügung zu stellen, eine – wie er es nennt – „beinahe parareligiöse Heils-Ideologie“. Kinder, seht ihr denn nicht, was ihr mit eurem Open-Access-Blödsinn anrichtet? Ihr nehmt uns glatt die Butter vom Brot! Ja, das mit dem freien Internet, das war eine Zeit lang ganz lustig. Nicht zuletzt für uns Journalisten, weil wir hemmungslos Wikipedia abkupfern und von Bloggern klauen konnten. Aber jetzt muss einmal Schluss sein mit der ewigen „Gratis-Kultur“. Denn nur, „indem wir uns der Gratis-Kultur im Internet widersetzen, verteidigen wir unabhängigen Qualitätsjournalismus, verteidigen wir die Freiheit der Presse.“
Das gute alte Totschlagargument „Qualitätsjournalismus“. Gut, Herr Döpfner, reden wir über Qualität im Journalismus. Die BILD-Zeitung wird von Ihnen verlegt, nicht wahr? Ok, das war jetzt gemein von mir. Gehen wir’s anders an: Reden wir über Qualität im Journalismus – und reden wir darüber, dass es sie nur dort geben kann, wo JournalistInnen anständige Arbeitsverhältnisse und eine faire Entlohnung gewährt werden. Reden wir darüber, dass ausnahmslos jeder, der das hehre Wort „Journalistisches Qualitätsprodukt“ im Munde führt und es nicht mit der Lebensqualität der Produzenten verknüpft, ein bigotter Lügner ist. Wie war das neulich in der NZZ? Man könne, so schreiben Sie in ihrem Gastbeitrag, Tarifverhandlungen der Journalistengewerkschaften „abschaffen wenn alle Inhalte kostenlos verteilt werden.“ Das kann man sich sehr leicht übersetzen: He, Gewerkschaftsheinis! Helft mir, meine Leistungsschutz-Pauschalabgabe durchzusetzen oder ihr könnt euch eure Forderungen sonstwo hinstecken!
„Wer liberal ist, verteidigt geistiges Eigentum“, heißt es in dem selben Beitrag. Oh, Döpfner, lassen sie mich milde in Ihre angstgeweiteten Augen blicken und erwidern: Wer reaktionär ist, klammert sich an veraltete Wertschöpfungsketten.
Die Schmarotzer, die Webkommunisten, die Piraten sind es, die das paternalistische Modell von Wissen (und letztlich von Macht – den was wäre Wissen anderes?) gerade ein wenig aufmischen.
„Der Pirat des Wissens ist ein guter Pirat“, sagt Serres an anderer Stelle, „Wenn ich noch einmal jung wäre, dann würde ich ein Schiff bauen, das so hieße: Pirat des Wissens.“
Hisst die Segel, Genossen!
[Anmerkung] Mein Dank gebührt dem Kollegen Gunnar Sohn, der diese Assoziation vor mir hatte; siehe HIER
Der richtige Ansatz wäre doch für klassische Medienunternehmen, für all die „Webkommunisten“ Plattformen zu schaffen, auf denen sie nach Herzenslust kostenlos veröffentlichen können und dennoch an den Werbeeinnahmen beteiligt werden. So herum wird doch ein Schuh aus dem Ganzen. Aber soweit ist diese Generation wohl noch nicht? Wenn man nur nehmen will, wird einem wenig gegeben. Das Internet wird frei bleiben, schon aus technischer Hinsicht.
Solche Ansätze gibt es schon. Bloß: Im deutschsprachigen Raum kenn ich keinen…