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Übersiedlungen kann man auf zwei Arten angehen: Auf die Sinnvolle – und auf meine.

Die Sinnvolle liegt auf der Hand: Das bis zum Stichtag angehäufte Eigentum durchforsten, zwei Drittel als das erkennen, was sie mit ziemlicher Sicherheit sind, nämlich überflüssig, und sich von selbigen zwei Dritteln trennen. Dann unbeschwert mit einem überschau- und noch mittels Fingern abzählbarem Haufen an Pappschachteln zu neuen Ufern aufbrechen. Denn Besitz belastet bekanntlich. Zumindest die Bandscheiben.

So mach ich das aber nicht. Ich hau ALLES in einen Haufen Kartons, den nur ein Tausendfüßler an den Fingern (oder sind das dann Zehen?) abzählen kann. Übersiedle mit einem Kraftaufwand, der das Jahresabo bei Kieser spart, ebenjenes ALLES. Und sortiere dann nach der Ankunft aus, wenn ich – nämlich immer erst vorort – merke:

  1. Es gibt doch einen Unterschied zwischen hundert (vorher) und fünfzig (künftig) Quadratmetern.
  2. Das Kolisch’sche Stauraum-Axiom („In Altbau geht sich alles aus, weil da gibt’s max. Headroom“) muss als falsifiziert betrachtet werden.

Der Rest ist Schweigen. Nein, eins noch: Die neue Wohnung liegt im letzten Stock eines Gründerzeithauses. Ohne Aufzug. Überlegen Sie mal, wieviele Bandscheiben ein Tausendfüßler hat…

Dies also zur Erklärung, warum ich gerade bin, wo ich gerade bin und tue, was ich gerade tue. Ich sitze nämlich inmitten eines lapidar mit „aus Lade“ beschrifteten Kistenhaufens (Unverwechselbare Zuordenbarkeit wird gemeinhin überschätzt!) und staune über meine Dessous-Sammlung. Hab ich dieses Zeug je getragen? (Antwort: ja) War dieses Zeug je modern? (Antwort: kaum vorstellbar, aber ja) Konnte ich mir jemals diesen Mount Everest an Palmers und Wolford leisten? (Antwort: nein). Weil das ist ja kein billigsdorfer Wühlkisten-Wäsche-Junk, der sich da auftut. Ok, teilweise schon, die paar Einzelstücke aus meiner „White Trash is eh lustig“-Phase. Doch im Grunde ist das meiste hochwertiges Zeugs. Man sieht’s ihm nur nicht an, nachdem es mein Hinterstes-Laden-Treatment genossen hat…

Mann, hatte ich mal viel Zeit, denk ich. Aber da hatte ich ja noch keine Kinder, keine Autoprekarisierung (© Stefan Mey), kein Facebook, keinen Workoholismus. Mann, hatte ich mal viel Sex, denke ich. Hab das Zeug ja nicht gekauft, um darin bequemer Mario Kart zu spielen. (So bequem ist es nämlich nicht, weshalb man’s ja auch gschwind wieder ausziehen will, was dann meist nicht ohne entsprechende Konsequenzen bleibt… ) Aber, ok, da hatte ich ja noch keine Kinder, keine Autoprekarisierung, kein … you get the picture.

Und dann: Mann, hatte ich viele Beine! Im Ernst. Ein Zweibeiner kann nicht so viele Strümpfe haben. No friggin’ way. Zumal die ja nicht in gerader Zahl vor mir liegen. Ein Zweibeiner täte sich da wirklich schwer.

Gut, ich erinnere mich düster. Ich hab dereinst in einem tschechischen Theaterstück mitgespielt, das von Palmers mit Sachspenden unterstützt wurde (ja, sowas gibt’s!) Damals haben wir alle ziemlich viel Selbsthaltendes in diversen Farbnuancen abgestaubt. Dennoch: Ich hätt’s nicht über Jahre einlagern müssen… Nämlich sämtliche 47 Stück. Nein, das sind nicht 23 Paare und 1 einzelner. Das Verhältnis Komplettset vs. Solostrumpf fällt stark zu meinen Ungunsten aus.

Ich muss wirklich, denke ich, eingangs erwähnter Tausendfüßler gewesen sein; meine Übersiedlungsstrategie daher bloß ein evolutionsbiologisches Überbleibsel aus jener Epoche. Und sieh an: Das tröstet! Denn wo so Überbleibsel, da auch Evolution. Und wo Evolution, da auch die Hoffnung, dass beim nächsten Übersiedeln die Vernunft siegt und der Müll in den Müll wandert. Vorab. Mit der Strumpfkiste kann ich ja jetzt schon beginnen…

P.S. Zum Thema Dessous & Beziehungen sei das Schlusswort an John Cusack delegiert.

[Text für Zeit im Blog 21]

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