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[für den WIENER / Aug. 09, unveröffentlicht]

Das hat schon Tim Berners-Lee gewusst, als er damals mit seinen Freunden in CERN abhing und das WWW erfand: “The Web is more a social creation than a technical one.“

Und Recht sollte er behalten.

Ok, Web 2.0 – das Schreckgespenst all jener, die nicht damit umgehen können – ist natürlich nur Dank der (technischen) Entwicklung deppensicher Benutzeroberflächen realisierbar. Die losgetretene Revolution ist aber eine durch und durch soziale. Und sie lässt sich nicht mehr zurücknehmen. Das haben Revolutionen nun mal so an sich: Ist die Milch verschüttet, hat der Tetrapack Pech gehabt.

Nutzwert durch Teilhabe, Partizipieren statt Publizieren, Mitgestalten statt Berieselnlassen – das ist ein Medienverhalten, dass sich tief in die Gene der Generation „Digital Native“ eingeschrieben hat. Sorry, meine Herren, aber „Halts Maul, Bua, und hock dich vors Patschenkino!“ wird  nicht mehr funktionieren. Volk 2.0 will nicht Brot und Spiele vorgesetzt bekommen. Die Brotrezepte holt es sich aus der Blogosphäre und die Spiele macht es sich selber.

Gibt halt immer ein paar die einen beleidigten Fotz ziehen und dann nicht mehr mitspielen wollen. Erinnert mich ein bisschen an meine kleine Tochter: Wenn nicht alle das tun, was sie sagt, macht ihr das Spielen keinen Spaß. Das ist in Ordnung; sie ist 5.

Die Macher der Popkomm sind aber schon ein bissl älter; man hätte annehmen sollen, weiser.

Jedoch: Eine der größten Musikveranstaltungen Berlins wird abgesagt, weil die Musikkonzerne ja alle so arm sind, ihre Wunden lecken müssen und die böse Regierung immer noch nix gegen die fiesen Piraten getan hat. „Viele Unternehmen können es sich wegen des Diebstahls im Internet nicht mehr leisten, an der Popkomm teilzunehmen“, behauptet Dieter Gorny, Präsident des Bundesverbands Musikindustrie.

Die Popkomm – für jene, die sie nicht kennen – ist (war?) eine internationale Musikmesse, kombiniert mit Kongress und Festival, die jährlich Tausende Fachbesucher aus aller Welt nach Berlin lockte. Die Nachricht von der Absage verbreitete sich wie ein Lauffeuer, stieß generell auf Unverständnis und Wut. „Popkomm absagen und es der Internet-Piraterie anhängen ist wohl der schäbigste PR-Stunt seit langem“, twitterte die Wiener Medienexpertin und Bloggerin Jana Herwig in einer ersten Reaktion. In einer zweiten rief sie dazu auf, die Dinge einfach selber in die Hand zu nehmen: „Wo Gorny hingeschmissen hat, da denken wir weiter. Nicht damit man uns die Popkomm wieder gibt – wir machen was besseres draus. Bottom-up, dezentral. Nur was für die Musik gut ist, darf bleiben!“

Da war es also wieder, das Partizipieren (pfui) und die Eigeninitiative (schauder).

Klar, eine Graswurzel-Popkomm wird wohl keine gehypten Superstars dazu bewegen können, in Berlin ihre operierten Nasenlöcher in die Kameras zu halten. („Na geeeeehhhh, ganz ohne Lehdigaagaa …“)

Ein Musikevent, bei dem sich Bands einem Publikum präsentieren können, bei dem über Konzepte und Ideen diskutiert wird, das ist aber sehr wohl möglich. Und daran wird eifrig gebastelt. Herwig hat analog zu den allerorten boomenden „Un-Konferenzen“, die ebenfalls bottom-up, hierarchiefrei und ohne Konzerninteressen ablaufen, den Begriff der „#unkomm“ ins Leben gerufen. Suchen Sie mal nach „#unkomm“ (Hashtag nicht vergessen!) auf Facebook, Twitter und, ja meinetwegen auch Google. Sie werden überrascht sein, was sich tut.

Die Popkomm ist tot. Die #unkomm lebt. Und mit ihr lebt alles, was das Web2.0 ausmacht. Gorny und Co. werden sich daran gewöhnen müssen: Eine Revolution lässt sich nicht zurücknehmen.


Das Strategiepapier für die #unkomm gibt es zum Download auf http://digiom.files.wordpress.com/2009/06/unkomm-strategiepapier.pdf

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