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Schall und Rauch

[für die „Gesunde Stadt“, 02/2007]

In „Die Hochzeit meines besten Freundes“ hat Julianne (Julia Roberts) Stress: Gar nicht so leicht, einen Mann zu erobern, der in den nächsten Tagen eine andere heiraten will… Wenn Julianne Stress hat, dann raucht sie. Unentwegt. So überzeugend, dass sogar Hillary Clinton nach Ansicht des Filmes Bedenken äußerte, die Komödie könnte die Popularität des Rauchens noch weiter steigern. Denn was Julia Roberts den Zuschauern hier vorspielt, ist ein geradezu idyllisches Heilsversprechen einer Zigarette: Die Entspannung, die Verbesserung der Stimmung, der Laune, der gesamten Gefühlslage. Julianne wird im Film fokussierter, kann sich besser konzentrieren. Die ganze Bandbreite der psychoaktiven Wirkung von Nikotin wird gezeigt. Eine Wirkung, die verführerisch ist. Das will man als Zuschauer auch haben…

„Die Entspannung ist eine Illusion“, weiß Univ.-Prof. Manfred Neuberger, Ordinarius für Umwelthygiene an der Medizinischen Universität, „Der Raucher glaubt, mit einer Zigarette seinen Stress bewältigen zu können, aber in Wirklichkeit wird er durch den chronischen Serotoninmangel und andere Störungen im Gehirn eher stressempfindlicher und bewältigt ihn, auf lange Sicht gesehen, eigentlich schlechter.“

Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Wirkungen des Nikotins, die nur im Moment angenehm erscheinen. Etwa als würde man sich besser konzentrieren können, während man in Wirklichkeit der geistigen Leistung schadet. „Nicht erst dann, wenn durch die Wirkung des Rauchens die Gefäße geschädigt werden, sondern schon vorher, denn das eingeatmete Kohlenmonoxyd wirkt dämpfend auf das zentrale Nervensystem“, erklärt Neuberger. Das wundert wohl kaum jemanden, wenn man bedenkt, dass Kohlenmonoxyd der selbe Stoff ist, der sich auch in Autoabgasen befindet.

So war auch die berühmte kleine „Rauchpause“, nach der man wieder frischer und kreativer ist, ein Geniestreich der Tabakwerbung: Jede Denkpause erfrischt. Auch (oder gerade dann) wenn dabei nicht geraucht wird. Eine Apfelpause. Eine Kniebeugenpause. Eine Klopause. Sie alle haben denselben Effekt, jedoch nicht das selbe kreative Image.

Neuberger: „Natürlich ist Nikotin in gewisser Weise anregend. Da gibt es verschiedenste Wirkungen, die da ablaufen. Das Wesentliche ist jedoch, dass durch das Rauchen die Regulation von Überträgersubstanzen im Gehirn verstellt wird und somit das Ganze nicht mehr so gut funktioniert, wie es ohne Nikotin funktionieren würde.“

Innerhalb von rund 7 Sekunden gelangt Nikotin, das man aus einer Zigarette inhaliert ins Gehirn und dockt dort an die von nikotinischen Acetylcholin-Rezeptoren an. Es kommt zu einer Ausschüttung von Botenstoffen, die ähnliche Wirkungen haben wie sogenannte „Glückshormone“. Es finden Veränderungen im Gehirn statt, unter dem Einfluss des Nikotins werden die Rezeptoren sogar vermehrt, sodass, hat man sich erst einmal daran gewöhnt, das Gehirn dann immer weiter Nikotin braucht, um „normal“ zu funktionieren. Man könnte auch sagen: Die Grundeichung des Gehirn wurde verstellt.

Diese Abhängigkeit entsteht nicht nach der ersten Zigarette. Kein Teenager nimmt einen Schaden, wenn er einmal auf einer Party ein paar Züge macht. Aber gänzlich ungefährlich ist es leider auch nicht: Erste Rauchversuche endeten früher meistens mit Übelkeit, Kratzen im Hals oder schlechtem Geschmack im Mund. Heute wird z.B. Menthol zugesetzt, das die Schleimhaut anästhesiert, damit man das Kratzen nicht so spürt. Zigaretten werden mit Zuckerlgeschmack, mit Himbeer und Vanille angereichert, sogar mit Likör, damit Jugendliche nach den ersten Versuch nicht abgeschreckt sind und sie leichter annehmen. Dazu kommen optische Marketingtricks wie schlanke Zigaretten „für Mädchen“, die eine gewisse Eleganz suggerieren. Auch kommen immer mehr Nikotinprodukte auf den Markt, die man durch die Haut resorbieren kann (Nikogel). Sie werden nicht geraucht, dienen aber als Einstiegsdrogen. Wie etwa das schwedische „Snooze“, oraler Tabak, der zwischen Lippe und Zahnfleisch geschoben wird. Natürlich hat das den Vorteil, das es sich nicht gleich auf die Lunge auswirkt, aber letztlich werden diese „rauchlosen Tabakpräparate“ auf dem freien Markt nicht als Rauchentwöhnungsmittel beworben, sondern unter dem Motto, dass man damit überall Nikotin konsumieren kann – auch dort, wo das Rauchen verboten ist. Das fördert die Nikotinsucht, erschwert Rauchern den Ausstieg und legt jungen Nichtrauchern eine Schiene, um in die Nikotinsucht einzusteigen. Das bestätigt auch Neuberger: „Insgesamt wird dadurch die Nikotinsucht in der Gesamtbevölkerung nur weiter verbreitet.“

Was das für die Gesundheit des Einzelnen bedeutet, sollte landläufig bekannt sein: Rauchen führt zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Es ist Risikofaktor für die Entstehung des Typ-2-Diabetes. Nikotin ist ein Gefäßgift. Es fördert sämtliche Herz-Kreislauferkrankungen und ist auch an der Krebsentstehung beteiligt, weil Nikotin auf die Teerstoffe, in denen die eigentlichen Karzinogene sind, als „Promotor“ wirkt, also als krebswachstumsfördernde Substanz.

Laut einer Statistik der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben weltweit jährlich zweieinhalb Millionen Menschen an den Folgen des Zigarettenkonsums. Die verbreitetsten Todesursachen: Lungen-, Mundhöhlen-, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Luftröhren- und Bronchialkrebs; Herzinfarkt; sowie Magen- und Darmgeschwüre mit nachfolgendem Krebs. Raucher dürfen außerdem noch mit Erkrankungen der Atemwege (Katarrhe, Bronchialverengung), Raucherbein (Arterienverstopfung im Unterschenkel; in vielen Fällen muss der Fuß amputiert werden) rechnen. Dazu kommen Entzündungen und Veränderungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut.

Die Vorstellung, dass man ja „eh etwas für die Gesundheit tut“, weil man z.B. Sport betreibt, ist eine irrige. Wer raucht und sich körperlich bewegt, atmet die Gifte zwar in der Tat rascher wieder aus. Aber der Sport schützt nicht vor den Raucherschäden! Salopp formuliert: Bloß weil ein Raucher regelmäßig Joggen geht, sollte er nicht glauben, er wird keinen Herzinfarkt bekommen. Auch der Glaube, dass Rauchen „schlank macht“, erweist sich bei näherer Betrachtung als reiner Mythos (nachgewiesen durch eine Studie an 3000 Teenagern). Im Gegenteil: Rauchen ist ein Risikofaktor für den Beginn einer Fettsucht. Besonders die klassischen „Fettschürzen“ am Bauch entwickeln sich beim Raucher deutlich schneller als beim Nichtraucher und stellen ein weiteres Risiko für Herzinfarkte dar.

Muss darüber hinaus noch erwähnt werden, dass Raucher nicht nur der eigenen Gesundheit Schaden zufügen? Passivrauchen kann ebenso tödlich sein. Diese Gefahr wurde lange Zeit unterschätzt oder als Nörgelei von „lästigen“ Nichtrauchern abgetan. Tatsächlich sterben in Österreich jedes Jahr etwa tausend Menschen vorzeitig durch Passivrauchen. (Zum Vergleich: Etwa 10.000 Österreicher sterben durch aktives rauchen. Somit machen die Todesfälle durch Passivrauchen immerhin ein Zehntel aus!)

Der Passivraucher atmet den sogenannten Nebenstromrauch ein, der an der Spitze der Zigarette verglost, bei geringerer Temperatur als der Hauptstromrauch, den der Raucher durch seinen Filter inhaliert. In diesem Nebenstromrauch sind die Staubteilchen noch feiner, es sind noch mehr Pyrolyseprodukte enthalten – unverbrannte Kohlenwasserstoffe, die krebsfördernd und natürlich auch reizend sind. Dazu zählen unter anderem sehr potente Lungenkarzinogene. Trotz der Verdünnung, die dieser Nebenstromrauch erfährt, werden diese krebserregenden Stoffe immer noch in einer Konzentration eingeatmet, die kein unbeträchtliches Risiko mit sich bringt. Klar: Passivrauchen ist umso gefährlicher, je länger und je intensiver es erfolgt. Wer jahrelang passiv raucht, kann genauso wie ein Raucher an Schlaganfall, Herzinfarkt, Lungenkrebs etc. sterben… So genügt z.B. schon eine halbe Stunde Passivrauchen in einem verrauchten Lokal, damit im Blut Gerinnungsveränderungen und an der Innenauskleidung der Herzkranzgefäße Veränderungen auftreten können.

Eine Sonderposition unter den Passivrauchern nehmen Kinder ein. Sie sind ganz besonders gefährdet – und das bereits vor der Geburt. Nikotin und Kohlenmonoxyd werden vom Ungeborenen durch die Plazenta aufgenommen. Man spricht deshalb von „diaplazentarem Passivrauchen“. Sie verhindern, dass das Baby genügend Nährstoffe und Sauerstoff erhält. Die braucht es aber unbedingt für seine gesunde Entwicklung bis zur Geburt. Kinder von Raucherinnen sind oft untergewichtig, die Lungen können sich nicht vollständig entwickeln, das Risiko einer Früh- oder gar Fehlgeburt ist hoch. Auch nach der Geburt ist der Säugling durch Passivrauchen gefährdet: Stichwort „SIDS“ („plötzliche Kindstod“) im ersten halben Lebensjahr. Passivrauchende Kleinkinder haben häufiger Pneumonien (Lungenentzündungen), häufiger Asthma, häufiger Mittelohrentzündung. Die Schäden sind nachhaltig, wirken sich auch noch bei älteren Kindern aus: Bis zum Ende des Pflichtschulalters lässt sich bei Kindern aus Raucherhaushalten immer noch eine beeinträchtigte Lungenfunktion nachweisen. Umso stärker beeinträchtigt, je mehr Personen im Haushalt geraucht haben. Im Übrigen schadet Rauchen sogar den Haustieren! Bei Hunden und Katzen wurden mehr bösartige Neubildungen beobachtet.

Dennoch: Horrorstorys, erschreckende Bilder von Raucherlungen und Mahnungen auf Zigarettenplakaten – all das hält erwiesenermaßen die wenigsten Raucher davon ab, ihrer Sucht zu frönen. Schon Winston Churchill wusste: „Ein leidenschaftlicher Raucher, der immer von der Gefahr des Rauchens für die Gesundheit liest, hört in den meisten Fällen auf – zu lesen.“ Der Mythos rund um die Zigarette wirkt einfach stärker als jeder Abschreckungsversuch. Gekoppelt mit dem typischen Gedanken: „Mir wird schon nichts passieren!“ Wird diese Grundeinstellung noch – siehe eingangs – durch Film & Fernsehen verstärkt, kämpfen Ärzte und besorgte Angehörige meist auf verlorenem Posten.

Übrigens: Julia Roberts raucht in „Die Hochzeit meines besten Freundes“ keine „anonymen“ Zigaretten, sondern eine konkrete Marke. Die Firma hat den Film mitfinanziert…

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