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VCM, Teil 2: “Scheitern ist unwichtig. Es verlangt Mut, dich zum Narren zu machen”, sagt Charlie Chaplin. Der hat leicht reden. Bei mir war’s nicht Mut, sondern Matschhirn. [erscheint auch auf typischich.at]

Als ich knapp vor der Oper bin, bekomm ich Gesellschaft von der Exekutive. Und nein, es handelt sich nicht um die coole Polizeieskorte, die den Weg für die Kenia-Spitze frei gemacht hat. Es handelt sich um [he, kann man die Schriftgröße hier so verkleinern, dass es keiner lesen kann?] den Schlusstrupp. Da ist er, der gefürchtete Besenwagen, der die ganzen Plastikbecher und Läufer, die auf der Straße liegen, wegkehrt. “Nein!” schreit mein Ego entsetzt auf. “Das darf nicht sein! Ich bin so langsam, dass mich der Schlusswagen überholt? Neeeein!

Verstehen Sie mich nicht falsch: Langsam war ja der Plan. Langsam, aber dafür weit. Aber der Schlusswagen bringt mich aus dem Konzept. Wie kann das überhaupt sein? Zielschluss des VCM ist nach sechs Stunden. Ich laufe jetzt gerade ein einhalb. Wieso ist mir da schon der Putztrupp auf den Fersen – bzw. hat er mich inzwischen schon überholt… Und nicht nur mich! Die Japanerin mit dem Hut ist auch noch da. Und noch jede Menge anderer Back-of-the-Pack-Läufer. Wir schauen jetzt alle bissl blöd.

Ok, denke ich. Keine Panik. Scheiß aufs Ego und vor allem: Scheiß auf den Besenwagen. Nicht durcheinander bringen lassen. Hier ist der Plan: Du läufst einfach weiter. Wenn sie die Straßen für den Verkehr aufsperren, läufst du am Gehsteig. So wie du das jahrelang bei anderen beobachtet hast. Es ist egal. Du kennst den Weg. Du ziehst es durch, wie im Blog angekündigt. Jetzt nur nicht nervös werden. Wahre HeldInnen kommen immer erst nach dem Besenwagen ins Ziel. “Es verlangt Mut, dich zum Narren zu machen”, sagt Charlie Chaplin.

Herr Turnschuh steht am Anfang der Wienzeile und schaut schon sehr verwirrt suchend drein. Er hat den Schlusswagen gesehen und ist fassungslos: “Den überholen wir”, sagt er, “Ich laufe nicht hinter dem Schlusswagen. No way.” – “Nein”, hechle ich, “Ich bleibe bei meinem Tempo. Ich will 25km schaffen – das geht nicht, wenn ich jetzt Gas geb. Du bist noch frisch und läufst nur 9km mit. Aber ich hab schon einige hinter und noch viel mehr vor mir.”

Hui. Da hab ich nicht mit dem Krieger-Stolz gerechnet. “Ich! Laufe! Nicht! Hinter! Dem! Schlusswagen!”, sagt Herr Turnschuh und ich spüre, dass er sich bis auf die Knochen geniert. Für mich. Für unser Tempo. “Du hast keine Startnummer. Du hast keinen Blog. Für dich geht’s um nix”, sag ich verzweifelt, “Aber wenn ich nicht durchhalte, ist das für alle Ewigkeit in Nullen und Einsern dokumentiert. ICH! GASE! JETZT! NICHT! AN!” – “Sei nicht gleich so empfindlich”, sagt er ein wenig konsterniert.

Gnnnn. Männer. Ich heule. Dachte, er ist gekommen, um mich zu unterstützen? Wieso macht er plötzlich einen auf Tempobolzen? Und, schlimmer: Ob er sauer ist, weil ich ihn angebrüllt hab? Wir laufen die Wienzeile entlang. Die Japanerin ist immer noch vor uns. Der Schlusswagen auch.

Ich bin zerrissen zwischen Sauer-sein und “Hoffentlich ist ER nicht sauer”-Denken. Weil letztlich hab ich ihn ja lieb. (Frauen können auch blöd sein, oder?) Knapp vor’m Ende der Wienzeile legt er mir die Hand auf den Rücken, sagt: “Ich verlass dich jetzt, Mädl. Halt durch!” – und nimmt die U-Bahn nach Hause. Okay, er ist nicht sauer, denke ich. Das war sogar irgendwie sexy. Endorphine machen unzurechenbar. Durchatmen. Weiterlaufen.

Allein sein tut gut. Kann mich wieder auf mich konzentrieren. Hallo Wadenkrampf! Keep On Running. Die Strecke ist nur noch an den anderen Läufern zu erkennen. Die Straßensperren sind aufgehoben. Zweimal müssen wir an einer Ampel warten bis es grün wird. Das ist so absurd, dass ich kichern muss. “Hauptsache durchkommen!”, lacht ein freundlicher Holländer neben mir. Am Ring ist ein Getummel, weil wir wieder auf andere Marathon-Läufer treffen. Die sind im Endspurt, wir bei der Hälfte. Rechts geht es zum Zieleinlauf. Dort will ich nicht hin. Ich will geradeaus weiter bis zum Schottentor, zum 22er Kilometer-Punkt. “Da lang!” deutet ein Ordnungsorgan und wachelt mich nach rechts. Äh…? Nein. Schottentor. Geradeaus. Da stellt er nonchalant eine Absperrung hin.

Let’s face it: Ich wäre locker daneben durchgekommen. Die Absperrung war nicht breit. Es hätte mich auch niemand gehindert. Aber mein Kampfgeist war mit einem Mal weg. Hab die Japanerin und den Holländer auf den Heldenplatz zulaufen sehen, den Ordner und die Sperre vor mir. “Amen”, hat das Matschhirn signalisiert und da bin ich eben auch durchs Ziel getrabt.

Erde, tu dich auf! Doch nur ein Halbmarathon. Und das 36(!) Minuten langsamer als 2009. Ach herrje. Aber es gab wunderschöne Aufmunterungs-Blumen von Sylvia Steinitz. Und, hey: Lass uns das als vorläufigen Rückschlag verbuchen. After all, tomorrow is another day.

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